Fußfetischist gesucht!

Vorwort:
Die mit *gekennzeichneten, tierischen Begebenheiten aus der Vogel- und Insektenwelt sind von mir konstruiert. Diese müssen sich aber genau so oder zumindest so ähnlich abgespielt haben…

Ich war mal wieder bei Takko. Obwohl den Takko Klamotten in aller Regelmäßigkeit und meist in peinlichsten Situationen – z. B. während Beisetzungen naher Verwandter – die silbernen Verschlussknöpfe abspringen.
Mit meiner neuen VIP Takko Card bekomme ich öfter solch billige Mode noch billiger. Das Ziel hieß somit: Kaufe passend zu meinen Knitterhemden zwei weiße T-Shirts mit braunem oder schwarzem Aufdruck - und nicht mehr!

Auch dieses Mal habe ich dieses hehre Ziel aus den Augen verloren.
Zu Hause gucke ich nun voller Stolz auf meine neueste Errungenschaft. Knittrig breitet sich eine schwarze Cargo-Hose für 19,00 Euro vor meinen Augen aus. Nur, durch diesen Kauf schaffe ich mir ein neues Problem. Ein Blick in den bekriechbaren Schuhschrank beweißt deutlich: Ich besitze keine passenden Schuhe für meine neue Takko Hose. Gepaart mit weißen Freizeitschuhen sehe ich aus wie ein Wasserläufer, der durch frische Deckenfarbe gestelzt ist. Und mit den gelben Laufschuhen gleiche ich stark einem Maskottchen des BVB Dortmund.  
Ganz weit unten erspähe ich meine alten Lieblings-Alltagsschuhe. Die würden in der Tat zu Schwarz passen.

Meine alten treuen Allrounder.

In der Draufsicht scheinen sie ihre Alltagstauglichkeit bestätigen zu wollen. Mit edler Hell/Dunkelgrau Optik und roten Rallyestreifen lassen sie das Herz eines jeden Trägers im Gelände und Asphalt höher schlagen.
In der Frontalansicht aber macht sich an der rechten Flanke ein klaffender Riss bemerkbar, der es locker mit dem Unfallschaden der Titanic aufnehmen kann.


Meine schönen, schönen Lieblingsschuhe. Zerstört! Allenfalls tauglich, sie über Ebay einem Schuh- oder Fußfetischisten anzubieten. Aber bevor meine Schuhe von einem Fremden aus der Versandschachtel gerissen und wild geliebkost werden, mache ich mir Gedanken, woher ich am frühen Abend passendes Schuhwerk für meine Hose bekomme. Morgen fahre ich zu einer Verabredung nach Hamburg und möchte dort nicht aussehen wie Pan Tau am Ballermann.

 Mehr als ein Bagatellschaden. 
Aber als Schuh- und Fußfetisch bestens geeignet...
        
Es ist 19:00 Uhr und ich beschließe, die beiden neuen Discounter in meiner Nähe abzufahren. Ich schnappe mir mein Fahrrad und radele zum PENNY. Dort angekommen sehe ich einer ganzen Menge von Dingen entgegen, die ich nicht brauche, aber trotzdem kaufe. Nur Schuhe haben sie natürlich nicht. Wie sollte es anders sein. Mit zwei gefüllten Einkaufstüten voll mit Chips, Cola, Tischblumen, Rotwein, Erdnüsschen und Hähnchenherzen begebe ich mich zu dem nochmals drei Kilometer entfernten EDEKA Markt.  
Schon nach der Hälfte des Weges nimmt das Elend seinen Lauf.

*Just in diesem Moment bekommt einige Minuten von mir entfernt eine ausgelassen fröhliche Gruppe fliegender Ameisen die Starterlaubnis auf  Fahrradweg Startbahn Drei.
Weitere fünf Meter entfernt setzt sich auf 11:00 Uhr ein gemischtes Einsatzkommando aus Flugkäfern, Gewitterfliegen und Stechmücken zu einer Versammlung im nahegelegenen Erholungs-Feuchtgebiet in Bewegung.

Die vor mir entstehenden Flugbewegungen bleiben von mir hingegen noch vollkommen unbemerkt. Mit 20 km/h und zwei Tüten Penny-Gepäck am instabilen Fahrradlenker schubber ich eine leichte Steigung herauf. Der Schweiß brennt mir in den Augen. Aber mir ist bewusst, dass das Loslassen des Lenkers zum Zwecke des Augapfelknetens in einer desaströsen Katastrophe enden würde. Noch stärker und schneller trete ich in die Pedale.

*Nur eine Radelminute von mir entfernt ortet eine Gruppe wilder Jungschwalben die Annäherung eines riesigen Insektenschwarms aus Nord/Ost über ihrem Luftraum. Wenige Sekunden später sind die Lenkbürzel einsatzbereit per Schnabelstrich geputzt und die fiepend hungrige Flugstaffel hebt in den bedeckten, aber noch so friedlichen Himmel ab.

Eine halbe Minute entfernt bis zu dem unvermeidlichen Rendezvous mit dem fliegenden Zoo, bestehend aus Schwalben, Flugameisen, Flatterkäfern, Stechmücken und Gewitterfliegen, lasse ich die letzte Anhöhe hinter mir. Jetzt wird es leicht abschüssig und ich nehme Geschwindigkeit auf. Mit ca. 35 km/h schieße ich wie eine Boden/Boden Rakete auf den jetzt nicht mehr weit entfernten Edeka Markt zu.  
Das schnell lauter werdende Piepen und Fiepen in meinem Rücken lässt meine strampelnden Radlerbeine für Sekunden erstarren. 

Nur wenige Zentimeter von meinem vor Schweiß triefenden Kopf entfernt fegt ein vor Hunger bekloppt gewordener Schwalbenschwarm vorbei. Mit schreckgeweiteten Augen fahre ich mit Spitzengeschwindigkeit in die dunkle Wolke summender Insekten.
Wie ein aufgeblasener Frosch tauche ich mit geweiteten Augen in die flatternde, summende und fiepende Umgebung ein. Galant weiche ich den kleinen, summenden Rackern aus.  Der Luftkampf tobt in vollem Ausmaß und die kämpfende Gruppe der Fliegen und Stechmücken verzeichnet bereits schwere Verluste.

Kurz vor meinem Ziel erwischt mich eine auf 10:00 Uhr fliegende Ameise und explodiert förmlich in meinem linken Auge.
Schwer linsenbeschädigt erreiche ich den Discounter und versuche mein Auge von den Fragmenten des noch vor wenigen Sekunden so lebhaften Fluggetiers zu befreien. Die Ameise befindet sich noch in Gänze auf der Pupillenoberfläche. Nur die Einzelteile wie Rumpf und Beinchen verteilen sich wie ein gesprengter Trümmerhaufen über die gesamte Iris.
Bei einigen Gliedmaßen bin ich mir sicher, dass sie während des Augensäuberns noch zucken. Nach acht bis zehn Minuten erscheint die Welt wieder deutlich.

Ich betrete die neue Edeka Welt meines Wohnortes und staune über die Auswahl des Ladens. Natürlich haben sie keine Schuhe. Ich nehme mir ein Kilo italienische Nektarinen, damit ich nicht mit einem leeren Einkaufswagen anstehen muss.
An der Kasse starrt mir die Kassiererin erschrocken entgegen. Starr glotzt sie durch ihre Bleikristallbrille auf mein linkes Auge. Erst jetzt merke ich, wie sich ein kleiner Schatten zärtlich auf meinen Wimpern wiegt.
Ich greife vorsichtig nach dem harten und kugeligen Fremdkörper. Meine Finger treffen auf eine alte Bekannte. Der abgerissene Kopf der fliegenden Ameise hatte sich über meinem linken Auge positioniert und festgehakt.
Ich entferne auch die letzten Fragmente des Getiers und denke beim Bezahlen der Nektarinen an Oma Trude und einen ihrer Belehrungssätze:

„Egal was du zum Essen einkaufst, mein Kind.
Am Ende isst das Auge immer mit!“

Wie Recht sie doch hatte…