Pulleralarm

Meine Bekannte schimpft mal wieder mit mir. Nicht besonders laut und auch meist nur in Gedanken. Aber sie schimpft. Ich würde nicht genug trinken und so. Dabei wehre ich mich mit der Erklärung, dass ich erst gestern den Abend in Ullis Sportsbar verbracht und getrunken hab, was das Zeug hält.
Aber das wäre natürlich nicht gemeint, sagt sie. Ich müsse mindestens zwei bis drei Liter Wasser oder Tee am Tag zu mir nehmen. Sonst trocknet der Körper aus und ich kann mich weder ausreichend konzentrieren, arbeiten, denken, tief schlafen, Sport treiben oder wunschgemäß abnehmen. Damit aber nicht genug, denn…
ganze Körperregionen fallen aus, Organe implodieren, die Haut vertrocknet oder die Libido bleibt für immer verschollen, würde ich mich nicht an einen gesunden Trinkrhythmus gewöhnen.

Wie viel trinke ich wirklich? 
Ein verblüffendes Ergebnis liegt vor mir...

Bevor mir also irgendwelche wichtigen Körperteile wie vertrocknete Kastanienblätter im Herbst vom Rumpf abfallen, nehme ich ihre Warnung ernst.
Vorerst gilt es deshalb festzustellen, wie viel ich tatsächlich pro Tag an Flüssigkeit zu mir nehme. Ich stecke mir ein Zettelchen in die Tasche um tagesaktuell zu protokollieren, wie hoch mein Verbrauch auf 24 Stunden ist.
Nun sitze ich am Ende eines trinkereignisreichen Tages staunend über meinen Auswertungen. Ach Du heiliges Kanonenrohr, das Ergebnis ist klar:

ICH TRINKE ZU VIEL!

Wer hätte das gedacht. Meine Aufzeichnungen sind klar und sauber gegliedert. Ein Irrtum scheint ausgeschlossen. Aber urteilt selbst, was mein akribisch geschriebenes Trinkprotokoll über die letzten sechs Stunden wiedergibt:

10:00 Uhr – 1 Tasse Tee:                          0,1 Liter

11:00 Uhr - 1 Glas Wasser:                      0,2 Liter

12:00 Uhr – 1 Suppe (dünn)
Suppenanteile Fest zu Flüssig 1:10
Gewicht der Suppe: 1 Kilo
Wasseranteil demnach:                             0,9 Liter


15:00 Uhr – 1 Eis
Marke Flutschfinger
Wasseranteil nach der Schmelze:              0,1 Liter


17:30 Uhr – noch ´n Eis
Marke Cola Schluptüte
Wasseranteil nach der Schmelze:              0,2 Liter

Dazu kommt weiter…

Seit heute Morgen um 10:00 Uhr habe ich ca. 16mal geschluckt.
Nur so – ohne Essen im Mund.
Speichelvolumen pro Schluck ca.              0,05 Liter
Das ergibt einen Gesamtspeichel von        0,8 Liter Spucke


Es ist jetzt 18:00 Uhr und diese Rechnung beweißt summa summarum:
Ich habe ganze 2,3 Liter in nur 6 Stunden zu mir genommen.
Schlafen tu ich im Schnitt 6 Stunden pro Nacht.
Das macht im Endergebnis innerhalb 18 Stunden einen Tagesschnitt von

6,9 Liter!

Das ist mehr, als manch Zimmerspringbrunnen im Kreis pumpen kann!!!

Genau 6,9 Liter passen in diese Tassen und Flaschen

Ich trinke viel zu viel. Jetzt wissen wir, warum ich mich oft wie diese grünen Glibber – Ostseequallen fühle, welche im Urlaub immer so zutraulich tot um meine Füße herumwabern.

2518 Liter im Jahr heißt so viel wie, dass ich in 10 Jahren einen ganzen Fischteich leer saufe. Aus Erfahrung weiß ich, dass ich nach 0,3 Liter Input zur Toilette eilen muss. Diese liegt im Schnitt 15 Meter von meinem Trinkareal entfernt.
Ich lege ergo allein für das Wasserlassen innerhalb von 50 Jahren einen Weg von 
2518 Liter : 0,3 Liter x 50 Jahre x 15m = 

6295 Kilometer zurück! 

Ich erpuller mir somit in nur 50 Jahren eine Laufstrecke 
von Hannover bis hinter New York.
Und da sagt man immer, wir Männer würden uns nicht genug bewegen!

Nein, so kann es nicht weitergehen. Bevor ich zum gelben Tintenfisch mutiere, ziehe ich die Reißleine, trinke weniger oder kippe auf jedes getrunkene Glas Wasser einen Sack Basmati Reis.
Denn - mit Verlaub - so viel wie ich, trinkt nicht einmal ein Kamel mit sechs Höckern!
Natürlich bleibt der Protest meiner Bekannten nicht aus. Nur wenige Minuten nach Ergebnisbekanntgabe meines Trinktestes habe ich sie telefonisch über die nackte Wahrheit informiert.

„6,9 Liter!“, sage ich. „Willst Du mich ersaufen?“

Ich warte.
Die Ruhe am anderen Ende der grauen Sprechmuschel währt nur Sekunden.

Ich lasse mir erklären, dass meine Berechnung auf Irrtümern und Wunschvorstellungen beruht. Ich MUSS immer noch mehr trinken, ist ihre Aussage.

Ich blättere während ihrer sprichwörtlichen Zerlegung und Vernichtung meiner genauen Analyse in der Tageszeitung herum und stolper über einen interessanten Artikel auf Seite Neun.  Dieser lautet:

„Muss ich wirklich 3 Liter Wasser am Tag trinken?“


...und weitere Fragen rund ums Wasser


Frei übersetzt steht hier klar und deutlich, dass es nicht nachvollziehbar ist, sich in seinem Leben so viel Flüssigkeit durch den Kopf gehen zu lassen wie der Hoover-Damm in seinem Speicherbecken aufnehmen kann. Dieses führt nur zu Leistungsminderung, Übelkeit und Müdigkeit während der Arbeit, beim Hobby und im Schlafzimmer.
Also – das erste ist mir ja noch egal. Aber dann hört der Spaß auf!

Ich nehme mir vor, auf meine Gesundheit zu achten und nur noch einmal im Monat mehr als einen Liter Flüssigkeit am Tag zu mir zu nehmen. Denn Ullis Sportsbar hätte es nicht verdient, dass ich schon nach einem Bierchen die Rechnung bestelle. Außerdem liegt seine Toilettenlandschaft „nur“ 10 Meter vom Tresen entfernt. Was für eine Erleichterung für die nächsten 50 Jahre!!!
Na denn Prost, meine Lieben!    

Wers nicht glaubt
oder zu viel trinkt,
wird hier gelinkt ;-)…